ein brillianter Wortschatz verschüttet unter Modeschmuck
die deutsche Sprache kann sehr direkt und schmucklos sein, aber eben auch sehr weitläufig und blumig. Goethe dürfte ein Paradebeispiel dafür sein, denn er verfasste nicht nur Dramen und Gedichte sondern eben auch wissenschaftliche Abhandlungen und als Advokat sicher auch so manchen nüchternen Bericht und Aktenvermerk. in den 1970ern und -80ern gipfelte das Spiel mit dem deutschen Wortschatz im Genre der Liedermacher und Chansonieres, allen voran Reinhard Mey... diese Hochzeit der deutschen Sprache möchte ich vergleichen mit dem nutzlosen und unnötigen Zierrat des Jugenstils... der moderne Gebrauch der deutschen Sprache gleicht da mehr Plattenbau und Systemmöbel - und irgendwie kommt diese Art zu sprechen doch auch genau aus dieser Ecke der Republik, in Form von "Gangster Rap"... Zugang zum deutschen Wortschatz fände man noch immer, wenn man auch mal die alten Klassiker läse... - die überfordern aber viele... deutlich beliebter sind da Kurznachrichten; da kann man guten Gewissens die Sprache aufs "Wesentliche" reduzieren, schließlich muss man sich ja der technischen Begrenztheit anpassen. letztlich setzt sich beim Gebrauch der Sprache fort, was wir beim Konsum schon längst verinnerlicht haben: billige Massenware verdrängt solide Handarbeit...
alt: "von diesen Lippen, die sich so keck und rot präsentieren, will ich kosten und nimmer lassen..." neu: "knutschen?"